VR und Zombies – eine beliebte Kombi. Soll heißen: VR-Zombie-Spiele gibt’s wie Sand am Meer. Braucht es da noch The Walking Dead: Saints & Sinners? Na und ob! Entwickler Skydance Interactive hat aus dem Stand einen der großartigsten Genre-Beitragäge rausgehauen. Wir haben TWD: S&S auf Oculus Rift im Test.
In den letzten Monaten wurde die virtuelle Welt mit einigen echten Hits versorgt, die durch ihren Umfang, die Produktionswerte und auch die Verkaufszahlen ordentlich von sich reden machten. In diesen Reigen gehört jetzt aktuell The Walking Dead: Saints & Sinners, das sogar an Beat Saber und Boneworks vorbeizog und sich bei Steam gleich auf Platz 1 der VR-Only-Titel setzte. Kein Wunder, basiert das Game doch auf einer quasi in allen Medien erfolgreichen Franchise: Es gab zuerst die Comics, die dann zur TV-Serie und auch zur Adventure-Spielereihe wurden. Letztere schockierte die Spieler damals mit ihren harten moralischen Entscheidungen, und schon der Untertitel des aktuellen VR-Ablegers lässt darauf schließen, dass wir es hier mit ähnlich schwerwiegenden Handlungssträngen zu tun bekommen werden. Saints & Sinners, Heilige und Sünder – auch für uns ist diese Wahlmöglichkeit seit Spielen wie Fable oder Knights Of The Old Republic immer wieder faszinierend. Sofort kam uns die Frage in den Kopf: Werden sich solche Entscheidungen durch die stark erhöhte Immersion der virtuellen Realität noch gravierender anfühlen?
Horrorspiele sind hart, aber jemand muss sie ja testen
Obwohl Horrorspiele in VR gleich mal eine Ecke gruseliger sein können, haben wir nicht gezögert und das Spiel direkt gestartet. Nachdem wir eingestellt haben, ob wir Männlein oder Weiblein verkörpern möchten und die rechte oder die linke Hand dominant einsetzen, finden wir uns auch schon an einem Lagerfeuer wieder. In einer Welt, die schon lange durch eine Zombie-Apokalypse gebeutelt wird, erfahren wir von einem Geheimnis, das uns das Überleben in Zukunft um einiges erleichtern könnte: In New Orleans gibt es einen versteckten Militärbunker voller Waffen und Medikamente. Ein Ziel, das für eine Außenseiter wie uns noch am ehesten zu erreichen ist, denn die in der Stadt verbleibenden Menschen haben sich in drei bis aufs Blut verfeindete Gruppen zusammengerottet, die uns nichtsahnend gewähren lassen. Dabei liegt es in Bereich unserer Möglichkeiten, sie gegeneinander auszuspielen und als Opportunist nur an unser eigenes Wohl zu denken…
Im Weg stehen uns dabei natürlich die Unmengen an lebenden Leichen, die die eng abgesteckten Stadtviertel bewohnen, die wir bereisen können. Aus unserem sicheren Nachtlager schippern wir jeden Tag mit einem Boot in unser Zielgebiet, das meist nur aus wenigen Straßenzügen besteht und nur einige wenige betretbare Gebäude bietet. Das tut der Spannung aber keinen Abbruch, denn das Spiel nimmt den Survival-Gedanken sehr ernst. Die Vorräte sind knapp, wir müssen unsere Gesundheit, Hunger und Ausdauer streng im Auge behalten. Selbstheilung gibt es genauso wenig wie ein Abspeichern über Tag. Nur wenn die Kirchenglocken der Stadt ertönen, die die Nacht ankündigen, sollten wir die Beine in die Hand nehmen und in unsere Basis flüchten, wo dann automatisch gespeichert wird.
Ihr steuert direkt, Teleportieren ist nicht
Die Steuerung funktioniert dabei nur über freies Laufen per Joystick, ein Teleportieren ist nicht vorgesehen. Darüber ärgern sich natürlich Menschen, die von Motion Sickness geplagt werden, doch The Walking Dead: Saints & Sinners basiert, ähnlich wie Boneworks, viel eher als andere VR-Spiele auf einer physikalischen Abbildung unseres Körpers. Gegenstände, die wir tragen können, verfügen über ein simuliertes Gewicht mit Trägheit, ebenso wie unsere Waffen, und feste Materie kollidiert miteinander wie im richtigen Leben. So könnten wir zum Beispiel eine Schranktür mit Lauf unseres Gewehres zuschieben. Wir können aber nicht mit einem Gegenstand eine Wand durchdringen, so dass es immer wieder passiert, dass unsere echten Hände nicht mit den virtuellen deckungsgleich sind. Das erfordert eine gewisse Eingewöhnung und man muss ein Stück weit „mitspielen“ und sich diesen Gegebenheiten fügen, doch das geht recht schnell. Unter dem Strich wird dadurch jedenfalls klar, warum Teleportation nicht mit diesem Ansatz kompatibel ist. Zusätzlich ist die künstliche Intelligenz im Spiel alles andere als schlau und könnte durch solche Instant-Positionswechsel chancenlos übertölpelt werden.
Zum Glück reichen für uns die Option zur Reduzierung der Motion Sickness vollkommen aus, so dass wir keine Probleme hatten. Das physikalische Gameplay geht schnell in Fleisch und Blut über und wir merken, dass wir die Arme von Zombies, die nach uns greifen, zum Beispiel blitzschnell mit einer Schlagwaffe wegdrücken, oder sie auch an der Stirn packen und wegstoßen können – oder sie, ganz im Gegenteil, so festhalten, um ihnen einen aufgesetzten Kopfschuss zu verpassen. Das klingt brutal und das ist es auch – die Grafik ist zwar angelehnt an die Comics, mit einem gewissen Abstraktionsgrad versehen, doch gerade die Gewalt gegen menschliche Figuren ließ uns des Öfteren schwer schlucken. Ein hoher buddhistischer Würdenträger soll aber einmal gesagt haben, dass das Gute an Computerspielen ist, dass man negative Gefühle im Kontext der Spiele-Illusion abbauen kann … um karmisch auf Nummer Sicher zu gehen, versuchten wir trotzdem, uns eher als Heiliger denn als Sünder durch das Spielgeschehen zu schlagen.
In der Zombie-Apokalypse gibt es viel zu tun
Dabei bekommen wir es wie für ein Open-World-Spiel typisch auch mit Nebenquests zu tun, die wir von anderen Überlebenden aufgetragen bekommen, und die sich oft mit der Suche nach den Missionszielen der Hauptstory verbinden lassen. Denn führen tut uns das Spiel auch nur bedingt, wir müssen vieles selbst herausfinden. Um die Ziele dann zu erfüllen oder auch einfach nur besonders lukrative Beute zu finden, gibt es wie so oft verschiedene Wege – wir können Schleichen oder mit Gewalt vorgehen, wobei viele typische Aktionen clever inszeniert sind. So müssen wir unseren Arm mit kreisenden Bewegungen bandagieren, um uns zu heilen, oder krude Alarmdrähte entschärfen, indem wir die an ihnen festgebundenen leeren Getränkedosen einzeln entfernen und geräuschlos verstauen. Auch in der Story kommt es immer wieder zu Situationen, in denen wir Probleme sehr ungewöhnlich lösen können, was teilweise deutlich frischer daherkommt, als die typischen ausgelatschten Gameplay-Schablonen von Flat-Spielen.
Schade ist in diesem Zusammenhang, dass das Kommunikationssystem sehr altbacken wirkt. Wie bei den Telltale-Adventures haben wir meistens zwei bis vier Antwortmöglichkeiten, die wir durch eine Umständliche Stick-und-Button-Kombination auswählen. Stehen wir dabei in unserer Basis vor einem Funkgerät und lauschen minutenlang den Ausführungen eines unsichtbaren Gesprächspartners, wirkt das ziemlich öde. Mit den menschlichen Charakteren in der Welt dürfen wir oft gar nicht reden, obwohl man manchmal das Gefühl hat, ein Tauschhandel wäre doch jetzt die einfachste Lösung für ein Problem. Stattdessen dürfen wir nur den sich oft wiederholenden Standardsprüchen der NPCs lauschen und zuschauen, wie sie sich in manchen Situationen ungeschickt gegenseitig massakrieren.
Der Preis ist fast unanständig niedrig
Man darf allerdings nicht vergessen, dass The Walking Dead: Saints & Sinners auf Steam gerade mal 34 Euro kostet. Das ist auf eine Art schon fast unanständig wenig, andererseits ist es auch ein Hinweis, dass man bei Story und Dialogen nicht allzu viel erwarten darf. Denn wenn man den Spielern Wahlmöglichkeiten gibt, hat man als Entwickler das Problem, irgendwann bei aberwitzig vielen Verzweigungen der Handlung anzukommen, die nur mit sehr viel Arbeitsleistung zu bewältigen ist – und das kostet eben.
Ein öfter geäußerter Kritikpunkt an dem Spiel ist, dass das Einsammeln von Schrott, um Waffen, Nahrung und Medizin zu craften und die eigenen Werkbänke aufzurüsten, zu stupide sei. Wir hatten diesen Eindruck nicht und haben aber auch immer fleißig alles eingesammelt, was nicht niet- und nagelfest war – denn schließlich geht es bei so einer Zombie-Apokalypse nun mal ums Überleben! Wer würde da Ressourcen liegen lassen? Am Ende der Story hatten wir auch noch derart viele Waffen und Munition übrig, dass wir uns fast geärgert haben, so knauserig gewesen zu sein. Allerdings können wir nach dem Abschluss der Geschichte, was etwa 12-15 Stunden dauern sollte, auch noch weiter New Orleans erkunden, um zum Beispiel fehlende Achievements zu sammeln.
Den geneigten Lesern, die Angst vor Frustration durch zu viel Sammeln und Craften haben, können wir deswegen einen Tipp geben: Investiert ruhig die paar Euro mehr, um euch die „Tourist Edition“ des Spiels zu gönnen. Hier erhaltet ihr unter anderem direkt Blaupausen für einen Knüppel, ein Messer und einen Revolver, die deutlich haltbarer sind, als die Fundtücke, die man normalerweise als frischgebackener Überlebender zur Verfügung hat. Das riecht zwar etwas nach „Pay to Win“, aber der Preis für das Spiel ist dann immer noch angemessen. Wir hoffen sehr auf einen Nachfolger, in dem das Thema der menschlichen Interaktionen dann hoffentlich ausgebaut wird.
The Walking Dead: Saints & Sinners findet ihr im Oculus Store und auf Steam