Warum Squadrons das bessere Eve Valkyrie ist, der beste Star-Wars-Flugsimulator seit X-Wing-Tagen und warum VR-Gamer im Spiel einen echten Vorteil haben: Wir haben die PC-Fassung von Star Wars: Squadrons im VR-Test.
Gestattet mir zum Einstieg einen kurzen Ausflug ins Jahr 2014. Damals luden die Eve-Online-Macher CCP Games zum Eve Fanfest nach Reykjavik. Gamer und anwesende Journalisten überraschte CCP mit Eve: Valkyrie, einem VR-Weltraumshooter angesiedelt im Eve-Universum. Für mich war es die erste Möglichkeit modernes Consumer-VR zu erleben, und ich war hin und weg. „Wirklich“ im Cockpit eines Raumschiffs sitzen, sich nach hinten umdrehen und vorbeifliegende Feinde oder Raketen verfolgen können – das war einfach mindblowing.
Das fertige Spiel zwei Jahre später war dann doch nicht so der Bringer. In VR im Cockpit zu sitzen war immer noch geil, aber die Weltraumschlachten waren ohne Tiefgang und einen Storymodus gab es gleich gar nicht. Seit damals habe ich auf einen VR-Weltraumshooter gewartet, der das alles besser macht. Und damit sind wir auch schon im Hier und Jetzt bei Star Wars: Squadrons.
Star Wars: Squadrons – ein Traum in VR
Anders als Eve Valkyrie ist Star Wars: Squadrons kein reiner Multiplayer-Shooter, sondern ein „vollwertiges“ Game. Die rund achtsündige Singleplayer-Kampagne erzählt ihre Story mit zwei Protagonisten und springt alle paar Missionen zwischen ihnen hin und her. Ihr klettert dadurch abwechselnd für die Rebellen und für das Imperium ins Cockpit von X-Wings, A-Wings, TIE Fightern, TIE Bombern und was der Star-Wars-Fuhrpark sonst noch hergibt.
Diese Kampagne solltet ihr spielen, bevor ihr euch ins Multiplayer-Getümmel stürzt, weil sie einerseits die wichtigsten Mechaniken im Spiel erklärt und andererseits echt Laune macht. Gut, es sind jetzt keine epischen Missionen dabei wie ein Angriff auf den Todesstern oder ähnliches, aber ich habe mich gut unterhalten gefühlt.
Star Wars: Squadrons hat Tiefgang
Die Handhabung der Raumschiffe ist gar nicht mal so simpel. Ja, die Steuerung ist arcadig und folgt der Logik „Flugzeugsteuerung im Weltall“. Über Trägheitsgesetze wie im kommenden Raumkampfsimulator In the Black braucht ihr euch hier keine Gedanken zu machen. Aber um wirklich erfolgreich zu sein, speziell später im Multiplayermodus, müsst ihr die Handhabung der Schiffssysteme lernen.
Eure Schiffe verfügen über drei Systeme: Schilde, Antrieb und Waffen (zumindest auf Rebellenseite, die imperialen Schiffe haben keine Schilde). Zwischen diesen Systemen teilt ihr die Energie auf, je nach Situation. Habt ihr einen Gegner vor euch? Energie auf die Waffen, damit die sich schnell wieder aufladen! Habt ihr einen Gegner im Nacken? Energie auf die Schilde – und am besten die Schildenergie nach hinten verlagern, wo ihr sie gerade am meisten braucht. Beim Angriff auf ein Großkampfschiff (fällt euch ein vernünftigerer deutsche Begriff für „capital ship“ ein!?) müsst ihr die einzelnen Sub-Systeme wie Schildgeneratoren, Waffen etc. anvisieren.
Die älteren Semester unter euch könnten sich bei diesen Schilderungen an die gute alte X-Wing-Reihe erinnert fühlen. Und ihr habt recht! Star Wars: Squadrons ist sowas wie der legitime Nachfolger der Klassiker – nur eben mit moderner Technik und VR-Unterstützung. „X-Wing vs. TIE Fighter 2020“ wenn ihr so wollt
Flightstick-Besitzer sind im Vorteil
Wie steuert sich das Game? Mit einem Gamepad wie dem Xbox-Controller trotz der hohen Komplexität sehr gut. Allerdings sind manche Buttons doppelt belegt und Funktionen wie die Subsystem-Zielauswahl nur dezent umständlich über ein radiales Menü hinter dem Linken Trigger zu erreichen. Mit einem Flightstick sind die Funktionen direkter verfügbar und HOTAS-Piloten damit dezent im Vorteil.
Squadrons lässt sich natürlich am Flat Screen spielen. Aber es ist definitiv ein Titel, der in VR erlebt werden will. Es ist nicht nur genial, „wirklich“ in einem X-Wing zu sitzen. VR-Gamer haben auch handfeste Vorteile. Zumindest auf Rebellenseite. Im X-Wing-Cockpit habt ihr eine gute Panoramasicht. Wenn ihr euch hinter einen Gegner hängt und der versucht, euch mit engen Kurven auszumanövrieren, dreht ihr einfach den Kopf und behaltet ihn auch in der Kurve im Sichtfeld. Im geschlossenen TIE Fighter Cockpit habt ihr diesen Vorteil freilich nicht. Wer immer für das Imperium das conservenbüchsenartige TIE-Cockpit entworfen hat: er war wohl kein Fan von uns VR-Spielern …
Lernt eure Teammitglieder kennen!
Zurück zur Kampagne. In den Cut-Szenen zwischen den Missionen könnt ihr mit euren Kameraden quatschen und ein wenig über ihre Hintergrundgeschichte erfahren. Multiple-Choice-Dialoge gibt es leider keine, ihr klickt euch einfach durch die Dialogzeilen durch. Das ist zwar einerseits schade, andererseits erwarte ich zum Preis von 40 Euro (bzw. mittlerweile oft auch schon deutlich weniger) kein Wing Commander mit kinoreifen Zwischensequenzen und verzweigter Missionsstruktur, also passt das schon.
Wenn ich an der Kampagne etwas auszusetzen habe, dann sind das zwei Dinge: Mir war nicht immer klar, was das Spiel gerade von mir will. Zar gibt es Waypoints, aber die sind nicht hilfreich, wenn sie einen direkten Weg weisen und ihr aber eigentlich einen Umweg fliegen müsst, um die markierte Stelle überhaupt erreichen zu können. Und dann sind da noch die gelegentlich sinnfreien Funkdialoge. Stellt euch vor, ihr fliegt gerade einen Angriff auf eine Raumstation der Rebellen und am Funk meldet sich der feindliche Kommandant und droht: „Imperiale Jäger! Brechen Sie den Angriff ab, oder Sie haben die Konsequenzen zu tragen!“ Sorry, auf mich wirkt das unfreiwillig komisch.
Multiplayer ist das eigentliche Spiel
Wie so oft gilt auch bei Star Wars: Squadrons: Der Teil des Spiels, in dem ihr die meiste Zeit verbringen werdet, ist der Mehrspielermodus. Der hat zum jetzigen Zeitpunkt zwar nur zwei Modi, aber die haben es in sich. Einerseits gibt es die klassischen Dogfights, bei denen sich jeweils ein Squadron der Rebellen und des Imperiums bekämpfen. Ideal für die schnelle Runde nach Feierabend.
Und dann sind da noch die Fleet Battles, der komplexere der beiden Multiplayer-Modi. Wieder kämpfen Rebellen gegen das Imperium. Nur diesmal mit dem Ziel, das gegnerische Flaggschiff zu vernichten. Der Kampf finden in Wellen statt, wobei eure Performance direkt beeinflusst, ob euer Team in der Angriffs- oder Verteidigungsphase ist. Je nach Phase müsst ihr eure Taktik anpassen. Es ist ein Modus für Fortgeschrittene, weshalb er auch erst freigeschaltet wird, wenn ihr genug Erfahrung im Dogfight-Modus gesammelt habt.
Leicht zu lernen, hart zu meistern
Das Schöne an Star Wars: Squadrons ist: Es ist eines der Spiele nach der Formel: „Easy to learn, hard to master“. Die Raumschiffe sind im Grunde einfach zu fliegen und mit der Kampagne werden auch Anfänger keine Probleme haben. Aber wer im Multiplayer etwas reißen will, muss sich wirklich mit den Stärken und Schwächen seiner jeweiligen Schiffsklasse auseinandersetzen, muss die Energieverteilung auf die Systeme nutzen und entsprechend der jeweiligen Situation richtig reagieren.
Sitzt ihr zum Beispiel in einem leicht gepanzerten A-Wing und fliegt frontal auf einen TIE Bomber zu, werdet ihr kaum als Sieger des Duells hervorgehen. Nutzt ihr aber die Wendigkeit und den Speed eures A-Wings, um den TIE Bomber auszumanövrieren, schaut das Ergebnis anders aus. Wobei ihr jedes Schiff im Spiel euren persönlichen Vorlieben anpassen könnt. Rumpf, Antrieb, Bewaffnung – so lässt sich sogar ein behäbiger TIE-Bomber in einen agilen Jäger umbauen. Experimentieren macht hier echt Spaß. Oder ihr sucht auf YouTube nach Videos mit Loadout-Tipps, davon gibt’s natürlich jede Menge. Die verschiedenen Schiffs- und Waffensysteme stehen euch übrigens nicht von Anfang an zur Verfügung. Ihr schaltet sie im Laufe des Spiels frei. Gleiches gilt für Kosmetik wie Raumschiff-Lackierungen oder Uniformen.
Die VR-Unterstützung ist inzwischen top
Zum Release hatte das neue VR-Vorzeigegame paradoxerweise Probleme mit der Framerate im VR-Modus. Das hatte weniger mit einer zu hohen Polygonanzahl oder ähnlichem zu tun, sondern mehr damit, wie das Spiel intern die Frames gelockt hat, wodurch es wegen der unterschiedlichen Bildwiederholraten in den Headsets zu Mikrorucklern gekommen ist. Nicht nur ist dieses Problem aber mittlerweile gefixt. Inzwischen ist auch die Möglichkeit hinzugekommen, mittels „Oversampling“ die interne Auflösung zu erhöhen, womit das Bild im Headset schärfer wirkt. Kurz: Die VR-Unterstützung ist top. Und damit ist dann auch der letzte Vorwand gefallen, unter dem man Star Wars: Squadrons die wohlverdienten fünf Sterne hätte verwehren können.
Speziell in VR ist Squadrons ein Hammer. Im Cockpit eines X-Wings (oder A-Wings oder TIE Fighters oder TIE Intercpetors oder …) zu sitzen, das flasht mich nach über vier Jahren mit VR fast genauso wie damals bei CCP in Reykjavik. Nur, dass sich Squadrons eben nicht auf den VR-Wow-Effekt oder seinen Star-Wars-Bonus verlässt, sondern auch wirklich gutes Gameplay bietet. Mehr kann man eigentlich nicht verlangen.
Ihr findet Star Wars: Squadrons bei Origin, auf Steam und hier im PlayStation Store.